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Joseph Susanne Aerthott

«Der Wille muss vorhanden sein» – Interview mit Joseph Aerthott über die Anfänge der REHASWiSS

Das vollständige Interview von Urs Kühnis erschien in der Jubiläumsschrift 40 Jahre REHASWiSS 2018.

Joseph, wie bist du dazu gekommen, vor mehr als 40 Jahren REHASWiSS zu gründen?

Ich bin als Psychologiestudent in die Schweiz gekommen und hatte die Absicht, nach Abschluss des Studiums nach Kerala zurückzukehren. Meine Liebe zu Susanne und die Heirat 1972 durchkreuzten die Pläne. Gleichzeitig hatte ich zuerst eine Praktikumsstelle und dann eine Festanstellung als Berufsberater bei der Invalidenversicherung IV erhalten. Diese Tätigkeit für die Eingliederung von Menschen mit Behinderung hat mich angeregt, von hier aus etwas für die Ärmsten in meinem Heimatland zu tun.

Du wolltest den Gedanken «Eingliederung vor Rente» nach Indien exportieren?

Staatliche Invalidenhilfe, sprich Renten, gab es damals in Indien nicht. Die Behinderten waren auf die Hilfe ihrer Angehörigen angewiesen – und sind es im grossen ganzen noch heute. Damals bin ich bei meinen Besuchen in Kerala immer wieder von Leuten u.a. mit behinderten Angehörigen um Unterstützung gebeten worden. Mir ist dabei bewusst geworden, in welch prekären Verhältnissen behinderte Menschen existieren mussten. Da schuf ich die Verbindung von meiner Tätigkeit bei der IV zu einer möglichen Hilfe in Indien. So hat es angefangen. Die Idee “Eingliederung vor Rente” ist meines Erachtens universell und hat Eingang in meine Philosophie auch für Indien gefunden.

Wer hat dich damals unterstützt?

In erster Linie meine Frau Susanne, die von vornherein überzeugt war von der Idee und mich bis heute vorbehaltlos unterstützt. Auch meine beiden Söhne haben mitgeholfen. Mein älterer Sohn Santosh, der ein Jahr nach der Gründung der REHASWiSS geboren wurde, ist aktuell der Präsident. Dann bekamen wir Unterstützung von unzähligen Berufskolleginnen und -kollegen sowie Bekannten
meiner Frau.

Deinem Charme konnten sie wohl alle nicht ­entfliehen…

(Lacht) Ich glaube eher, die Art und Weise, wie ich helfen wollte, hat den Leuten gefallen. Jahrelang haben uns auch andere Hilfswerke wie der Blindenverband und kirchliche Kreise oder dann auch bis 2010 die DEZA (Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit) unterstützt. Wir waren von Anfang an – und sind es heute noch – in erster Linie auf Einzelfallhilfe ausgerichtet. Das Geld sollte nicht in Institutionen versickern. Vielmehr sollte die vergleichsweise bescheidene Investition in eine Person aus Fleisch und Blut dieser einen Ansporn liefern, die eigenen Kräfte zu entwickeln.

Du misstraust also Behinderteninstitutionen wie Sonderschulen und Werkstätten?

Ich habe einfach die Erfahrung gemacht, dass institutionelle Hilfe in Indien kaum je funktioniert. Die Menschen sind auf die Familie ausgerichtet. Geografische Distanzen und die damit verbundenen Transportprobleme sowie die Kastenschranken stellen fast unüberwindliche Hindernisse dar für den regelmässigen Besuch solcher Institutionen. Oft wird dann zwar beruflich ausgebildet, eine Anschlusslösung im Sinne einer Erwerbstätigkeit kommt danach aber nicht zustande. So ist unsere Hilfe auf das engere soziale Umfeld konzentriert. Trotzdem unterstützen wir seit Jahrzehnten auch Schulen wie die Schule für Sehbehinderte in Ludhiana im Punjab.

Ich stelle mir vor, dass es schwierig ist, von der Schweiz aus Einzelhilfe zu managen.

Deshalb arbeiten wir seit Beginn mit Partnerorganisationen zusammen, gegenwärtig sind es zwanzig. Sie eruieren die bedürftigen Personen, stellen die Unterstützungsanträge an uns, begleiten und betreuen die Betroffenen und ihre Angehörigen und legen uns Rechenschaft ab über den Erfolg der Hilfe. In regelmässig stattfindenden Kongressen versammelt REHASWiSS die Partnerorganisationen und stimmt sie auf eine einheitliche Linie ein.

Im Zentrum der Hilfe stehen seit langem die Mikrokredite. Wie bewährt sich diese Art der Hilfe?

Mikrokredite werden heute nur noch vergeben, wenn eine Person bereits Ansätze von Eigeninitiative zeigt. Die Motivation muss also gegeben sein. Sonst besteht die Gefahr, dass das Projekt wieder einschläft, sobald das Geld verbraucht ist. So sprechen wir heute auch lieber von Self-Help als von Mikrokredit. Wir überlegen auch, ob die üblichen Investitionssummen von 15’000 Rupien (rund 200 Franken) noch angemessen sind angesichts der herrschenden Teuerung.

Hat sich die Art der unterstützten Mikrokredit-Projekte verändert?

Während wir früher etwa Telefonstellen finanzierten, sind es heute eher Reparaturwerkstätten für Mobiltelefone. Out sind etwa die Weber, nach wie vor gefragt sind hingegen Näherinnen, Investitionen in kleine Läden, Nutzvieh und Pflanzungen. In Zukunft werden wir bei Mikrokrediten in der Regel auf eine 100%-Rückzahlung bestehen. Der rückbezahlte Betrag wird für eine erneute Finanzierung der gleichen Personen oder für die Finanzierung neuer Projekte benützt. Die unterstützten Personen vernetzen sich in Selbsthilfegruppen, was sich sehr bewährt hat und der Emanzipation der Betroffenen einen nicht zu unterschätzenden Schub verleiht. Neue Projekte sollen zunehmend über die Selbsthilfegruppen initiiert werden.

Reich wird man mit Mikrokrediten wohl nicht?!

Nein. Man muss beachten, dass es die Ärmsten der Armen sind, die von unserer Hilfe profitieren (sollen). Behinderte haben dabei den schlechtesten Status und können diesen etwas verbessern, indem sie etwas zum Familieneinkommen beitragen. Etwas speziell ist die Situation für Menschen mit geistigen und psychischen Behinderungen. Sie sind in der Regel nicht in der Lage, selber ein Business zu stemmen. Hier unterstützen wir die Familie als Ganze. Mikrokredite bedeuten in jedem Fall nur eine Anschubfinanzierung.

Wäre Indien als Schwellenland und Atommacht nicht selber in der Lage, die von REHASWiSS erbrachte Behindertenhilfe zu leisten?

Indien hat Fortschritte gemacht, zweifellos. So muss niemand mehr an Hunger sterben. Armut aber ist noch weit verbreitet. Die Lage der Behinderten hat sich dank einer Minimalrente ebenfalls verbessert, der Staat stellt drei Prozent seiner Stellen für Behinderte zur Verfügung, auch die institutionelle Behindertenhilfe wird unterstützt. Der Sprung über die Armutsgrenze ist aber für den Einzelnen kaum je möglich. Hier kann REHASWiSS einen Beitrag leisten. Auch in der Schweiz spenden wir ja für die Bedürftigen in unserem Land, um ihnen ein menschenwürdiges Dasein zu ermöglichen.

Zum Schluss: was sind deine Sorgen und Wünsche für die Zukunft von REHASWiSS?

Die Art und die Wirkung unserer Arbeit vor Ort ist für mich nach wie vor eine Genugtuung. Es finden sich auch immer wieder Leute, die bereit sind zu helfen. Der Generationenwechsel wird aber eine Herausforderung sein. Die freiwillige Mitarbeit funktioniert nicht mehr gleich wie früher. Hier müssen wir uns einiges einfallen lassen. 

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